Rosch Tov – oder: I brauch’ a Bier

Schana Tova, meine Leser!
Ich wünsche euch allen ein gutes, erfolgreiches, neues Jahr 5771! 🙂

Heiße, israelische Sonne

Heiße, israelische Sonne

So, jetzt hat ihm die heiße Sonne in Israel endgültig was Ernsthaftes zugefügt, wird sich der Eine oder Andere vielleicht denken.

Nein, glücklicherweise kann ich euch beruhigen, mit mir ist noch mehr oder weniger alles in Ordnung. In Israel leben – wie man unter Umständen schon festgestellt hat – recht viele Juden. Sylvester ist ein christliches Fest (benannt nach Papst Sylvester) und da es die Israeliten nicht so mit dem Christentum haben feiern sie ihr eigenes Neujahr: Rosch Ha‘Schana, was man mit „Kopf des Jahres“ übersetzen kann. In anderen Teilen der Welt sind es zwei Tage: Sylvester und Neujahr – in Israel sogar drei:

Erev Rosch Ha‘Schana („Erev“ heißt „Abend“ – also der Vorabend zu Rosch Ha‘Schana)

Und dann zwei Tage lang Neujahr.

Der zentrale Markt... Unheimlich leer

Der zentrale Markt... Unheimlich leer

Die Geschäfte haben an diesen drei Tagen geschlossen (An Erev Rosch Ha‘Schana sind sie zwar halbtags geöffnet, aber die meisten Israelis haben vergessen ihre Einkäufe vorher zu tätigen, was zu übervollen, unbetretbaren Läden führt…). Langeweile kommt aber trotzdem nicht auf:

Die Tage um Rosch Ha‘Schana sind Festtage und jede Familie freut sich, auch noch ein paar Gäste aufnehmen zu dürfen – in diesem Falle: Mich.

Das mit dem Freuen ist nicht nur so „dahergesagt“ – als ich mich jeweils zu Beginn und am Ende bedanken wollte, wurde ich unterbrochen und man hat sich bei mir bedankt, dass ich die Einladung angenommen habe.

Ein anderer Bestandteil dieses Festes ist der Schofar – dieses Widderhorn, das ich kurz nach meiner Ankunft hier nicht vernünftig blasen konnte. Nach dem Sprechen eines kurzen Gebetes bläst man 1x lang (Kiar), in der gleichen Zeit 3x kurz (Schwarim) und danach 9x ganz kurz (Tru‘ar) – ebenfalls in der Zeitdauer des ersten Blasens. Das letzte Mal ist das Komplizierteste. Inzwischen bringe ich wieder einen Ton heraus, aber 9x rasch hintereinander ist für Ungeübte unmöglich – wer es versuchen will, aber keine Zeit hat, schnell nach Israel zu fahren, um sich ein Schofar zu kaufen kann alternativ dazu auch nach Australien fliegen, um sich ein Didgeridoo zu besorgen – die Blastechnik ist ähnlich.

Man kann die einzelnen Bestandteile auch mit Anderem kombinieren

Man kann die einzelnen Bestandteile auch mit Anderem kombinieren

Ein weiterer Brauch ist das Essen, das am Neujahrstag (komisch… immer wenn ich dieses Wort höre, denke ich an Kälte und Schnee – und das bei 30° C im Schatten) serviert wird.

Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich frische Datteln essen – die friert man Tags zuvor ein, damit sie wie Datteleis schmecken – es funktioniert auch mit getrockneten Datteln – sehr interessant.

„Dattel“ heißt übersetzt „Tamar“ (für alle weiblichen Leser meines Blogs, die Tamara heißen: Na? Klingelts? 😀 )

Im Anschluss daran einen Granatapfel (ebenfalls sehr populär in Israel), der angeblich 613 Kerne hat – für die 613 Ge- und Verbote im Judentum. Es soll den Willen zeigen, im Neuen Jahr auch viel Gutes zu vollbringen.

Und schließlich – einer der bekanntesten Bräuche: Apfel mit Honig – für ein süßes Jahr.

Apfel mit Honig - für ein süßes Neues Jahr

Apfel mit Honig - für ein süßes Neues Jahr

Das vorletzte Gericht ist Lauch und einen besonderen Reiz hat das Letzte:

Etwas, das man bis jetzt noch nie gegessen hat – immerhin sollte man im neuen Jahr auch einmal neue Wege gehen.

Bei uns gab es eine purpurne Drachenfrucht.

Gastfreundschaft wird in Israel groß geschrieben - davon können wir Europäer uns etwas abschneiden

Gastfreundschaft wird in Israel groß geschrieben - davon können wir Europäer uns etwas abschneiden

Wie so vieles bei den Juden beginnt auch das neue Jahr mit einem Gebet in der Synagoge. Der neu Tag beginnt nach Sonnenuntergang – die „Tradition“ bis zum neuen Tag „durchzuhalten“ (wir wissen, was gemeint ist 😉 ) gibt es nicht.

Fast nicht.

Orthodoxe Synagogen sind prinzipiell auf Hebräisch. Alles (Selten auch Aramäisch, aber für mich macht das keinen Unterschied).

Welche Auswirkung hat das auf einen Nichtjuden wie mich? Aufgrund der Überlastung schalten sich meine Ganglien auf Standby und ich muss durchhalten – ich leide am systematischen Synagogen Syndrom (SySySy).

Einige Jahre zuvor konnte ich im Internet einen Comic finden, der die Sicht der Juden auf das christliche Neujahr widerspiegelt:

Jetzt gibt es einen Comic, der die Sicht eines Nichtjuden auf das jüdische Neujahr zeigt:

ShaBot 6000: Wie sehen Juden Sylvester?

ShaBot 6000: Wie sehen Juden Sylvester?

Mit Schana Tova (שנה טובה) wünscht man sich ein „Gutes Jahr“.
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„Rosch Tov“ wurde früher eher von den Ostjuden verwendet und lässt sich heute nur mehr mit „dufte“ übersetzen – einem veralteten Wort für „cool“ bei dem man nach Aussprache komisch angesehen wird.

„Tov“ heißt „Gut“ – und für alle, die sich ein paar Gedanken machen wollen: Was wünscht man sich im deutschsprachigen Europa zu Neujahr?

Wieder einmal konnte ich trotz der Umstände Israel fantastische Seiten abgewinnen – über die Feiertage hatte ich gute Gesellschaft und aus meinem Kerker bin ich entkommen, der mein Budget pro Monat um 290 Euro verkleinert.

(Eine Idee für die österreichische Justiz? Die Gefangenen leben mit Vollpension in ruhiger Lage und haben noch dazu interessante Gesprächspartner – das MUSS vermarktet werden.

Gitterstäbe habe ich auch vor meinen Fenstern – so schlimm ist das nicht)

Ab 13. September habe ich meine Haft in Kiriat Menachem abgesessen und Alla hat mich eingeladen wieder im Zimmer mit der Katze zu wohnen. Nicht zum ersten Mal ist sie meine Retterin in der Not.

Aufgang zu Alla

Aufgang zu Alla

Ich hatte schon Angst, etwas Dauerhaftes zu finden – ich kann mir nicht vorstellen irgendwo in Ruhe und Frieden zu leben – ich nehme viel lieber alle paar Tage mein ganzes Hab und Gut zusammen und fahre mit dem Bus zur nächsten Bleibe. Das Lustige sind die Geschichten, die man dabei erlebt.

Unter anderem: Ich genieße die Busfahrt. Noch ein paar Stationen bis ich wieder umsteigen darf. Eine junge Frau geht direkt auf mich und meine vier von Gepäck okkupierten Plätze zu. Sie schaut mir in die Augen. Ich schaue ihr in die Augen. Sie kommt näher.

Der Busfahrer zeigt, dass er auch in scharfen Kurfen nicht vom Gas runter gehen muss, das Fräulein wirbelt es durch den Gang, sie „hält“ sich an meiner Einkaufstasche mit der 12er-Packung Eiern fest (die ich separat eingepackt habe, damit nichts passiert) und wirft sie hinunter.

Wieder ein Problem weniger – kann einzelner Mann wirklich etwas mit 12 Eiern anfangen?

Erheitert, dass ich keinen Kuchen backen muss höre ich ein anderes Mädchen hinter mir auf Englisch sprechen.

…Roommate… Housing… Roommate… blabla

Höflich entschuldige ich mich, dass ich sie mit einem Tippen auf die Schulter erschrocken habe und … erschrecke selbst, als sie sich umdreht.

Ihr Gesicht ist vollkommen von Akne (oder dem viel zu starken Medikament dagegen) entstellt. Fast jeder von uns hat einmal Akne, aber ich bin wirklich etwas zusammengezuckt, als ich sie gesehen habe.

Ich fasse mich wieder. Du hast doch gerade von „Roommate“ gesprochen meine ich ruhig. Es ist normalerweise nicht meine Art, fremde Leute im Bus anzusprechen, aber dürfte ich in Erfahrung bringen, ob sie Roommates sucht, oder schon welche hat, ich bedürfe nämlich einer Wohngemeinschaft.

Etwas verwirrt antwortet sie mir, dass sie in der Tat einen sucht…

YEAH YEAH YEAH!!! (Natürlich nur in Gedanken)

… aber sie akzeptiert nur Weibliche. Ein Mann würde sich mit Sicherheit sofort in sie verlieben.

Innere Werte… Verstehe. Ob es hilfreich ist zu erwähnen, dass ich kein Kannibale bin vermag ich nach diesem Keulenschlag eines Paradoxons nicht abzuschätzen, verkneife es mir aber trotzdem.

Was gibt es noch zu berichten…? Ahja – ich habe einen Notfallplan gefasst.

Inzwischen ist mir die Luft ausgegangen. Unter normalen Umständen (Genug Schlaf, hin und wieder was zum Essen, Luft und Liebe und etwas Ähnliches wie Privatsphäre) bin ich recht stabil, aber außer Luft und hin und wieder was zum Essen fehlt das Meiste – also dachte ich darüber nach, ein halbes Jahr in Yad Vaschem zu arbeiten, meinen Gedenkdienst zu teilen.
In dieser Zeit wollte ein Zimmer bei einem verrückten Philosophieprofessor in Beit Ha‘Keren – einem Bezirk zwischen Yad Vaschem und der Innenstadt mieten.

Zuvor hätte ich das gerne vermieden, da es wieder nur ein Zimmer war, aber es gibt Internet und der Blick aus dem Fenster ist besser. Wenn ich mich recht erinnere, so war der Preis bei 1300 Schekel (260 Euro) – für ein Zimmer etwas teuer, aber was soll man machen?

Ja, das Zimmer ist frei. 1300? Wie komme ich auf diesen Preis?

Kostenpunkt: 1700 Schekel (340 Euro). Zum Vergleich: Der Einzug in eine halbwegs vernünftige WG kommt auf maximal 1600 Schekel.

Somit bin ich jetzt in einer Situation, aus der es nur einen Ausweg gibt.
Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss.

Ich brauch ein Bier.

Vampir (Archivfoto)

Vampir (Archivfoto)

Meine Klassenkameraden und Arbeitskollegen werden – sofern sie das hier lesen erstaunt sein. Auf Alkohol hat der Mario doch immer reagiert, wie Dracula auf Knoblauch (siehe Archivfoto).

Daran hat sich auch nichts geändert. Also trinke ich Malzbier und hab mir erlaubt eine kleine Studie darüber zu schreiben. In Österreich kann ich mich nur ein paar Einzelfälle erinnern, in denen ich Malzbier gesehen habe. Getrunken habe ich es nie. Hier in Israel ist es populärer.

Nesher Malt mit Falaffel

Nesher Malt mit Falaffel

Mama Mary Kwaz

Mama Mary Kwaz

Am Öftesten kann man das Nesher-Malt bekommen, jedoch ist es geschmacklich nicht sonderlich atemberaubend, aber ganz nett.

Weitaus besser sind Malty, das man vereinzelt zum Kebab bekommt und das russische „Kwaz“, von dem es zwei Arten gibt – ich bevorzuge die israelische Variante „Mama Mary“,

Malty

Malty

das russische Importoriginal ist etwas zu süß. Bis jetzt konnte ich allerdings noch keine Restaurants ausfindig machen, die auch nur eine er russischen Varianten anbieten, aber mit Malty bin ich auch zufrieden 🙂
Und damit auch was gegen den Hunger unternommen wird präsentiere ich euch den israelischen Avocado-Dip:

Die Herstellung eines Avocado-Dips

Die Herstellung eines Avocado-Dips

Man braucht für etwa 2 Personen:

  1. 2 Avocados (je weicher desto besser – wenn man sie wie Butter streichen kann: Perfekt)
  2. 2 Eier (Kann auch nur eines sein, je nach Geschmack)
  3. Mayonnaise (Ebenfalls nach Geschmack)
  4. 1 Lastwagenladung voll mit Zwiebeln (soll ja nach etwas schmecken, wer es dann nicht ganz so scharf wie ich mag nimmt zwischen einer halben und einer ganzen Zwiebel)
  5. 6×10²³ Knoblauchzehen (Hier beziehe ich mich auch wieder auf meine Liebe zum aromatisch-scharfen, für alle, die nicht so viel gewohnt sind nehmen eine Zehe oder sogar weniger)
  6. Olivenöl
  7. Salz und Pfeffer

Sowie nach Geschmack und falls vorhanden:

  1. 1 Frühlingszwiebel
  2. Frische Kräuter

Zunächst zerdrückt man die Avocados mit einer Gabel (für die im im 21. Jahrhundert angekommenen – man kann sie auch mixen), fügt die Eier hinzu, die man ebenfalls zerdrückt (oder… wie auch immer).
Mayonnaise, bis der Basisgeschmack stimmt – danach die Zwiebeln – würfelig gehackt und der Knoblauch – wichtig: Knoblauch nicht pressen, das zerstört das Aroma.

Die Feinabstimmung mit Salz und Pfeffer und wer sich mit Olivenöl befasst hat weiß, wie er damit umzugehen hat – wer sich nicht auskennt sollte die Chance ergreifen und ein bisschen „spielen“ – traut euch ruhig. Olivenöl gehört in jeden Haushalt und sollte mehr als nur Dekoration sein – wir sind zivilisiert und keine Kulturbolschwisten.

Bei Frühlingszwiebeln schneidet man alles hinein, also auch das Grünzeug – wer mir nicht glaubt, soll es probieren – und die Kräuter… sind dem Eigeninteresse anzupassen.

Mahlzeit 🙂

Kren... Auch in Russland beliebt

Kren... Auch in Russland beliebt

Über Qohelet

Ein Reisender auf seinem Weg durch die Welt
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