Türk Men – Ich bin Türke 3: Das Tor zur Hölle im Schnee

Nachdem ich meine beiden letzten Artikel über Türkmenistan hier erschienen sind gilt dem heutigen Werk allem voran die visuelle Qualität weswegen er unter „Landmark 5“ publiziert wurde.

http://www.landmark5.com/2015/05/03/tuerk-men-ich-bin-tuerke-3-das-tor-zur-hoelle-im-schnee/

Die beiden früheren Berichte über das Land der Türkmenen finden sich hier:

Teil 1: https://myaliyah.wordpress.com/2015/03/02/turk-men-ich-bin-turke-1-zwischen-usbeken-und-turkmenen/

Teil 2: https://myaliyah.wordpress.com/2015/03/09/turk-men-ich-bin-turke-2-wo-chorezm-die-wuste-kusst/

 

Ein letztes Bild vom Vorabend

Bild vom Tor zur Hölle

Veröffentlicht unter Fotografien, Mario Schwaiger, Reiseinformation, Türkmenistan | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | Kommentar hinterlassen

Türk Men – Ich bin Türke 2: Wo Chorezm die Wüste küsst

Welch ein Unterschied!

Während in Usbekistan und Kirgistan eine kleine Horde von Taxifahrern nach der Grenze wartet war in Türkmenistan… Nichts los.

Im ersten Moment hatte ich befürchtet niemand würde mich hier abholen– doch dann öffnete sich die Tür von einem der beiden parkenden Wägen und Ishan – den man als „I-schan“ ausspricht begrüßte mich. Sein Freund Max der Russisch konnte und in Sankt Petersburg studierte würde uns begleiten.

Der erste Teil der Reise war Konya-Urgench. Eine Grenzstadt in der usbekisch geprägten Provinz Daşoguz. Das Grenzen nur von Menschenhand gezogen werden war hier deutlich zu spüren. Während die Soldaten und Grenzbeamten anders aussahen waren die Einwohner hier optisch nicht von Usbeken zu unterscheiden – und vermutlich auch sonst nicht.

Gleiches galt für die Landschaft.

Der erste Unterschied zeigte sich aber beim Geldwechsel. In Usbekistan habe ich teilweise sogar auf der Bank zu hören bekommen: „Bitte tauschen Sie ihre Dollars auf dem Basar“ – die Umrechnungsraten sind viel besser dort.

In Türkmenistan gibt es keinen Schwarzmarkt und der Wechselkurs ist staatlich geregelt – entsprechend sind die Kurse auch stark überbewertet. Dies merkt man in Usbekistan sofort. Auf der Bank bekommt man 2,200 pro Dollar am Basar 3,800. In Türkmenistan gibt es nur die Bank – die jedoch ohne Kommission hin-und-her wechselt. Das landesweit und überall mit demselben Kurs.

Irgendwie ist das wieder ein Vorteil – ich erinnere mich daran wie ich in Kiew Halt gemacht habe und mich über die schlechten Bedingungen geärgert, jedoch Griwna benötigt habe. Nachdem ich meine Euros los geworden bin waren plötzlich alle Stuben nur noch mit optimalen Raten versehen…

Auf der anderen Seite ist der staatliche Kurs nicht, was man als „gut“ bezeichnen würde.

Aber die Neue Welt zog sich noch weiter:

Die Unterschiede zw. Usbekistan und Kirgistan waren hauptsächlich die, dass sich Usbekistan bei den Denkmälern sehr auf die eigene, sehr alte Geschichte konzentriert. Überall im Land findet man Statuen, Büsten und Bilder von Amir Timur, Alischer Navoi, Ibn Sina, Bobur und Biruni – in Surxondarya oft Alpomisch. Wobei all diese Helden und Titanen des Geistes in einer Zeit gelebt hatten in der Usbekistan noch nicht einmal in den Köpfen existiert hatte – aber sie wurden auf dem heutigen Territorium des Staates geboren und verkörpern somit die junge Nation. (Alpomisch jedoch kam von woanders…)

In Kirgistan waren es oftmals noch Überbleibsel aus der Sowjetunion. Auf dem Weg nach Schohimardon hängt ein Stalin-Plakat. Frunze-Statuen sind sehr beliebt und man schreibt überwiegend Kyrillisch. In Usbekistan hingegen habe ich oft das Gefühl die Leute wissen selbst nicht ganz welches Alphabet sie bevorzugen. Taschkent wird bspw. gerne als Towkent getippt weil das ‚w‘ dem kyrillischen ‚ш‘ ähnlich sieht.

In Türkmenistan zeigte sich ein von mir nicht erwarteter …Türkischer Einfluss! Interessanterweise war Türkmenisch die erste Sprache die auch alle deutschen Umlaute enthält.

Stalin in Kirgistan

Stalin in Kirgistan

Die ersten Statuen in Konya-Urgench waren lediglich Weltkriegsmonumente die vermutlich überall in den ehemaligen Staaten der Sowjetunion gleich aussehen. Unterschiede gibt es wohl nur in der Erinnerungskultur an den Großen Vaterländischen Krieg. So ist in Usbekistan die „Wartende Mutter“ ein omnipräsentes Denkmal, in Türkmenistan wurde auch der Vater nicht vergessen. Das ist gelebte Gleichberechtigung…

"Wartende Mutter" in Nukus

„Wartende Mutter“ in Nukus

Denkmal zum "Großen Vaterländischen Krieg", Köneürgenç

Denkmal zum „Großen Vaterländischen Krieg“, Köneürgenç

Auch sehr auffallend war, dass in Türkmenistan – obwohl behauptet wird das Land sei noch säkularer als Usbekistan auffallend viele Frauen ein Kopftuch tragen. Dies kann jedoch auch nur der Kälte wegen geschuldet sein.

Ebenso auffallend waren die Schuluniformen die – insbesondere Mädchen – trugen. Auffallend leuchtend grüne Röcke. Sehr beliebt sind auch Tjubetejkas – die im Gegensatz zu Usbekistan von vielen (insbesondere jungen Leuten!) beiderlei Geschlechts getragen werden.

Doppiverkäuferin in Andijon

Doppiverkäuferin in Andijon

Diese sind auch aus Stoff und nicht aus Pappe wie die usbekischen Doppis.

Konya-Urgench wäre als Stadt an sich nicht erwähnenswert. Wie viele vergleichbare Städte in der Region gibt es dort nichts, was es nur dort geben würde… Außer vielleicht den „alten“ Teil der Stadt (was ironisch ist, „Konya“ heißt „alt“). Die Ruinen die hier noch stehen waren einst eines der Zentren der islamischen Welt. Zu einer Zeit in der Chorezm noch groß und mächtig war, war das alte Urgench die Hauptstadt. Zumindest bis Mohammed II. fand, dass Samarkand etwas schöner war.

Was bleib war die Stadt in der die Einwohner sich eine zeitlang erfolgreich gegen den Mongolensturm wehren konnten und viele Ruinen die vom einstigen Reichtum und Einfluss zeugen.

Zwar hat es mein Reiseveranstalter Stantours leider nicht für nötig gehalten mir auch das Nejameddin Kubra Mausoleum zu zeigen und obwohl Ishan Englisch konnte war eine Führung im (recht teuren Preis für die Reise) nicht mitinbegriffen.

Mich hatte überrascht, dass mein „Lonely Planet“-Reiseführer außerordentlich gute Informationen bereitstellte.

Zwar waren diese auf den beiden Seiten eher kurz gehalten – dennoch wurde vermutlich alles notiert was von Relevanz war.

Als Erstes kam der Turabeg Khanym Komplex/Tura-Beg-Chanum-Mausoleum das anscheinend eine Grabstätte sein sollte – jedoch – wie oft im Volksislam üblich niemand genau weiß wer da eigentlich darunter liegt. Das ist vermutlich auch nicht so wichtig. Es könnte genausogut ein Thronraum sein. Lonely Plante meint, dass es eines der perfektesten Gebäude Zentralasiens sei und möglicherweise auch über ein Heizsystem verfüge und dessen Dachmosaik ein Denkmal an die Zeit darstellt:

Monument an die Zeit im Tura-Beg-Chanum

Monument an die Zeit im Tura-Beg-Chanum

Mit

365 Teilen von glitzernden Mosaikstückchen, für die Tage des Jahres,

24 spitzen Bögen für die Stunden des Tages,

12 größeren Bögen für die Monate des Jahres, wie

5 großen Fenstern für die Wochen des Monats.

Anscheinend findet sich eine Kuppel mit ähnlich imposanter und für den Islam unüblicher Architektur nur in Schiraz.

Sayid Ahmed Mausoleum

Sayid Ahmed Mausoleum

_MJS7773 Ebenso liegen das Sayid Ahmed Mausoleum hier, das auf dem Weg zum 1320

Ist ja nett, da geht's zum Minarett

Ist ja nett, da geht’s zum Minarett

gebauten Gutlug Timur Minarett/Qutlugh-Timur-Minarett führt.

Selten habe ich in meinem Leben ein Minarett gesehen das mich so beeindruckt hat. Seine Größe und dass es ob der eigenen Last fast 700 Jahre gestanden hat, während die Moschee herum dem Erdboden gleich gemacht wurde.

Na, was sagt der Lonely Planet dazu?

Na, was sagt der Lonely Planet dazu?

Werden die Gebete hier erhört?

Werden die Gebete hier erhört?

Kein Ofen - eine Art Schrein

Kein Ofen – eine Art Schrein

Lt. Wikipedia Deutsch ist es bis heute mit 63m das höchste Minarett Zentralasiens, lt. Lonely Planet nur 59m, Wikipedia Englisch liegt mit 60m irgendwo dazwischen. Trotz (ein Schelm, wer sagt „wegen“ 😉 ) diesen Diskrepanzen ist unglaublich das es noch steht. Die Menschen die hierher kommen würdigen dies, indem sie hier oftmals Gebete sprechen.

Bis heute hat das Sultan-Tekisch-Mausoleum seine türkisen Dachkacheln erhalten

Bis heute hat das Sultan-Tekisch-Mausoleum seine türkisen Dachkacheln erhalten

Das Sultan Tekesch/Tekisch Mausoleum wurde auch ihm zu Ehren erbaut. Er war es der Khorezm bis Khorasan, das im heutigen Nordafghanistan liegt erobert hat. Die Madrassas und Bibliotheken die hier angeblich einst gestanden sind, haben jedoch die Zeiten genausowenig wie Tekisch selbst oder sein Grab überlebt.

Das Mausoleum selbst ist Besuchern heute leider nicht zugänglich.

40 Mollahügel

40 Mollahügel

Der Kyrk Molla/Vierzigmullahhügel ist heute nur noch das Überbleibsel einer Festung in der die Bewohner ihre letzte Frontlinie gegen die Mongolen aufgebaut hatten.

Von hier gab’s einen hübschen Überblick:
Koeneuergenc Kyrk Molla Panorama

Frisch wird's

Frisch wird’s

Inzwischen frischte das Wetter deutlich auf. Der Wind wurde kühler und – was ich nicht erwartet hatte: Es gab wirklich Schneefall. Ein paar Flocken waren schon zuvor in der Luft, aber das jetzt war der Beginn von mehr.

Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort.

Il-Arslan-Mausoleum

Il-Arslan-Mausoleum

Ein weiteres Mausoleum war das des Il-Arslan, zu dem mein Lonely Planet meint es sei das älteste Gebäude auf diesem Gelände. Eine konische Kuppel und zickzack-Muster das Amir Timur so gefiel, dass er es nach Samarkand mitnahm. Al-Arslan war der Vater des zuvor erwähnen Tekischs.

_MJS7833arl

_MJS7837Das vorletzte Gebäude war der Überbleibsel des Mamun II. Minaretts. Im Gegensatz zum Gutlug Timur Minarett hatten es zuerst die Mongolen verwüstet und was später noch übrig geblieben ist hatte die Gravitation und der Zahn der Zeit in sich zusammen fallen lassen. Was steht ist der Stumpf… Der auch restauriert ist.

_MJS7848

Panorama vom Minarett Mamuns II.

Panorama vom Minarett Mamuns II.

Stoanamandln in Kara Tepa (Usbekisch-Afghanische Grenze)

Stoanamandln in Kara Tepa (Usbekisch-Afghanische Grenze)

Dennoch lagen im Gelände herum viele „Stoanamandln“ oder auf Hochdeutsch „Steinmännchen“ wie ich sie aus meiner osttiroler Heimat kenne. Diese hatte ich schon in Kara Tepa an der afghanischen Grenze in Usbekistan bemerkt.

Wie merkwürdig es sich jedes Mal anfühlt, 5000km fern der Heimat etwas derart Vertrautes und Sicherheit vermittelndes wie ein Stoanamandl zu sehen.
Steinmännchen beim Mamun II Minarett

_MJS7863

Unknown Building is still unknown

Unknown Building is still unknown

Als letztes fand sich „The Portal of Unknown Building“ (gutes Englisch), das manchmal als Tor zur Karawanserei beschrieben wurde, was es aber nicht war. Lonely Planet meint ,es wäre das Eingangstor des Palasts von Mohammed Khorezmschah.

Damit war mein Rundgang in Alt-Alt-Urgench beendet. So sehr ich Geschichte auch liebe, so sehr war ich an diesem Tag froh, dass es vorbei war. Mir war zwar nicht kalt – meine Chopan leistete großartige Dienste – aber im Schnee war es alles Andere als einfach oder angenehm mich fortzubewegen.

Und weiter geht's

Und weiter geht’s

Undokumentierte Gebäude

Undokumentierte Gebäude

Wer geht da freiwillig drüber?

Wer geht da freiwillig drüber?

Hinter diesem historischen Bereich fand sich eine kleine Siedlung die dem Bahnhof vorgelagert war. Es waren meine ersten Begegnungen mit Türkmenen in freier Wildbahn. Freundliche Menschen, vermutlich etwas verwirrt zu dieser Jahreszeit und Wetterlage einen Touristen anzutreffen.

Bahnhof Köneürgenç

Bahnhof Köneürgenç

Das Wetter wird nicht besser...

Das Wetter wird nicht besser…

Nach 2 ½ Stunden (insgesamt) erreichte ich den Eingang des Freiluftmuseums wieder wo ich mehr Ähnlichkeit mit einem Schneemann als einem Reisenden hatte. Was mich wunderte: Trotz Schneefall blieb meine Chopan ausgesprochen warm.

Ishan mein Fahrer meinte bei meinem Anblick dass ich etwas „unüblich“ aussähe. Nun ja, so ganz kann ich diese Beschreibung nicht verleugnen. Ein Beweisfoto:

Ich sähe "unüblich" aus

Ich sähe „unüblich“ aus

_MJS7916_MJS7918Was jetzt folgte war eine endlos lange Fahrt auf Straßen die seit Jahrzehnten nicht mehr gewartet wurden. Der Schnee tat das sinige und die Sicht wurde von Minute zu Minute schlechter. Trotz selbsttönender Brille tat mir recht bald der Kopf weh und Ishan musste nach über zwei Stunden Fahrt mit Schmerzen kämpfen. Man hätte nicht ahnen können, dass der Wetterumschwung derartig viel Niederschlag mit sich brachte.

Sowjetstraßen

Sowjetstraßen

_MJS7960Oftmals rumpelten wir in Schlaglöcher die von einer weißen Schicht verdeckt wurden. Der Großteil meiner Reise war nicht Sehenswürdigkeitenschauen, sondern Autofahrt durch diese unendliche Wüste – oftmals auf Straßen die vermutlich von den Russen gebaut wurden und seither als gegeben angenommen waren.

Die Wüste – keine reine Sandwüste – war im Winter noch unbeugsamer als im Sommer. Bei diesem Wetter wäre ich auf mich allein gestellt womöglich nicht fähig gewesen irgendwohin zu finden. Nebel, Schnee, keine Sonne zu sehen – und die Unendlichkeit vor mir.

Fuxi

Fuxi

Wie es die Karawanen vor hunderten, wenn nicht tausend von Jahren geschafft hatten hier zu manövrieren ist mir ein Rätsel.

Wer holt uns ab?

Wer holt uns ab?

_MJS7974Am Straßenrand standen oftmals Autos die offensichtlich nicht mehr weiterkamen. Im Gegensatz zu Usbekistan sind hier fast alle Autos gebrauchte Importware. Usbekische Autos sieht man selten.

Sandsperre

Sandsperre

Yurte. That's the Türkmen spirit!

Yurte. That’s the Türkmen spirit!

An den Straßenrändern langen oft Sandsperren, die die Expansion der Wüste stoppen sollten. Schilfraster die den Sand einfingen und manchmal einen geschützten Platz für Pflanzen boten. In Israel hatte ich dergleichen nie gesehen, obwohl beide Länder gegen die Wüste kämpfen müssen. Israel mit mehr Erfolg.

Türkmenisches Café

Türkmenisches Café

Hier hat jemand einen Schneemann gebaut

Hier hat jemand einen Schneemann gebaut

Zwischenzeitlich machten wir Halt um in einem der Cafés die hin und wieder an der Route lagen eine Stärkung zu uns zu nehmen. Ein beliebter Snack in Türkmenistan waren Fiji. Fleischpasteten.

Fiji

Fiji

Zuerst öffnete man sie mit der Gabel und isst dann die „Verpackung“ mit dem Fleisch mit. Sehr wohlschmeckend, dazu gab es wie immer grünen Tee. Hier sollte ich zum ersten Mal ein Phänomen sehen das mich während meiner Reise noch so manches Mal beschäftigen sollte: Türkmenische Frauen stecken manchmal einen Zipfel ihres Kopftuchs in den Mund. Ishan wusste es auch nicht, was sie damit bezweckte.

Die Toiletten zeugten vom sanitären „State of the Art“ in Mittelasien auf derartigen Orten:

Wenns Häusl vorgewärmt ist ist's noch schöner

Wenns Häusl vorgewärmt ist ist’s noch schöner

Tar-Denkmal (ein asiatisches Instrument)

Tar-Denkmal (ein asiatisches Instrument)

Unbekannte Stätte

Unbekannte Stätte

Aufs Neue ging die Fahrt los durch die unendlichen Weiten der Karakum-Wüste. Vorbei an antiken Stätten für die sich Touristen nicht interessieren (sollen?), Denkmälern zu Ehren von Musikinstrumenten und an Autos die einfach zu langsam waren.

_MJS7940_MJS7943In Usbekistan sieht man manchmal sehr deutlich was passiert wenn man die Straßenverkehrsordnung nur so mittelmäßig durchsetzt. Riskante Überholmanöver, Alibigurte und übermotivierte Fahrer.

In Türkmenistan ist das leicht besser. Gurte mag trotzdem niemand.

Säubern der angefrorenen Scheibenwischer

Säubern der angefrorenen Scheibenwischer

Kein Essen ist in der ehemaligen Sowjetunion so beliebt wie Schaschlik

Kein Essen ist in der ehemaligen Sowjetunion so beliebt wie Schaschlik

Unser Teehaus

Unser Teehaus

Schließlich – rechtzeitig zur Dämmerung hielten wir an unserer Unterkunft für die Nacht. Ein Teehaus bzw. Chaixana an der Grenze zwischen den Provinzen Daşoguz und Ahal in dem wir auf dem Boden schlafen würden. Geplant war eine Übernachtung im Zelt, das Wetter aber verhinderte derartige Ambitionen. Viele dieser Teehäuser dienten primär der Unterbringung und Ernährung persischer LKW-Fahrer. Auch, wenn ich nie herausgefunden habe wo die hinfahren.

Gäste

Gäste

Ausländische Kennzeichen sieht man in Usbekistan kaum. Einmal hatte ich in Surxondarya ein Türkmenisches entdeckt. Hier in Türkmenistan fuhren sehr viele Iraner herum.

Umso überraschender war die Tatsache, dass es hier kein richtiges Hotel gab – nur wenige Kilometer entfernt lag das Tor zur Hölle…

Tor zur Hölle

Tor zur Hölle

Veröffentlicht unter Reiseinformation, Türkmenistan | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | 2 Kommentare

Türk Men – Ich bin Türke 1: Zwischen Usbeken und Türkmenen

Gegen 6 klingelte mein Wecker. In meinem Zimmer war es bereits hell, aber das hatte ich nur der kaltweiß strahlenden Straßenlaterne zu verdanken die man ein paar Tage vorher taktisch vor meinem Hotel platziert hatte.

Der Usbekische Präsident Karimov hatte angekündigt, Nukus besuchen zu kommen – seit dem war die ganze Stadt aus dem Häuschen die Straßen zu säubern, Unkraut auszureißen, vermeintlichen ausländischen Spionen das Zimmer zu durchsuchen und eben die Laternenleuchtklassen von Natriumdampf auf „Supernova“ umzustellen.

Gesehen hat ihn bis zu meiner Abreise jedoch niemand – oftmals stand jedoch die Hotelchefin auf der Straße und hat den Arbeitern zugesehen. Wann er komme, wollte ich wissen – „er hätte schon da sein sollen“ antwortete sie in gutem Russisch.

Spätestens als ich abends zu Bett gegangen bin wusste ich, dass ich Islom Karimov nicht die Hand schütteln würde. Leider. Beim aus-dem-Bett quälen machte es die Pseudosonne draußen dennoch einfacher.
Urmenscheninstikt sagt es ist Tag. Mario ist munter (oder tut zumindest so).

Der Taxifahrer den ich Abends zuvor geordert hatte ruft mich 10 Minuten vor 7 an um zu fragen, wo ich denn sei. Erwartet hatte ich, dass er 20 Minuten zu spät sein würde. Punkt 7 verlade ich meinen Rucksack in sein Auto.
Lieber wäre ich mit dem Bus nach Hojeli gefahren und dort ein Taxi genommen. Doch der erste Bus sollte erst um 9 abfahren – Kostenpunkt: 1000 Söm. (Etwa 25 $-Cent). Von Hojeli zur Grenze verkehren was man mir gesagt hat keine Busse, Bushaltestellen gibt es dennoch. Ob der Verkehr eingestellt wurde oder nicht bleibt fraglich.

Von Hojeli bis zur Grenze hätte ich den Preis auf 10.000 Söm herunterbekommen meine ich. Bei Nukus war ich ob der Distanz unsicher (der Bus fährt nur sehr langsam und die holprigen Straße verzerrt die Wahrnehmung auch etwas). Die Taxifahrer Tags zuvor in Nukus hatten erst irgendwelche Fantasiepreise gesagt. „100 Dollar“ erinnere ich mich noch. Nach Nukus kommen  Reisegruppen meist nur ob des Savitsky-Museums. Wenn sie mehr Zeit haben fahren sie für 200$ zum Aralsee oder buchen sich für 400$ einen Führer der ihnen die antiken choresmischen und zoroastrischen Stätten in der Gegend zeigt.

Windig war's auch wie Sau

Windig war’s auch wie Sau

Der Tourismus ist nur schwach entwickelt und wer profitieren kann, profitiert.
Für 100$ zur Grenze wäre ein Tritt in den Hintern inklusive gewesen. Für ihn, weil er so frech war und für mich wenn ich es angenommen hätte.

Aber 100$ ist der Standardpreis, den man Touristen anbietet. Ich könnte Fantasieorte erfinden, sagen, ich will nach Chodallah oder Fargushislam – es wären 100$ die man verlangt. Vielleicht auch nach Taschkent, Moskau oder Wien.

Mit der Hilfe eines Einheimischen konnte man zumindest einen Taxifahrer zur Räson bringen. 35.000 Söm war der Preis für ein Privattaxi. Ein Sammeltaxi ein Bruchteil davon, jedoch sollte ich wenig später feststellen, dass ich der einzige war, der an diesem morgen die Grenze überschritt.

Morgens halb 8 in Usbekistan: Wo ist mein Plov?

Morgens halb 8 in Usbekistan: Wo ist mein Plov?

Knapp eine Stunde dauerte die Fahrt – geschätzt hatte ich zwei. Ab 9 durfte man passieren. Nachdem ich das Auto verlassen hatte war mir klar, dass meine Situation nicht sehr optimal war. Der Wind blies schneidend kalt durch die Steppe, der Wetterbericht sagte Schnee voraus und der Grenzsoldat zeigte sich nicht erfreut, dass ich jetzt eine Stunde vor ihm im Kreis laufen würde.

Also wieder zurück in Taxi und ein paar hundert Meter zu einer Bushaltestelle wo er mich darauf hinwies zu sitzen. Er zeigte mit dem Finger auf die Bank, ich sah hin, schaute ihn an und meinte bündig:“Cholodna“ (Russisch für „kalt“). Er nickte nachdenklich.
Nachdem er die Tür aufgemacht hatte schloss er sie auch gleich wieder und schien zum Punkt zu kommen, dass er für einen Gast der etwas zu viel gezahlt hatte auch noch etwas warten konnte.

Absperrungen auf usbekischer Seite der Grenze

Absperrungen auf usbekischer Seite der Grenze

Wir unterhielten uns etwas über Österreich, ein paar Fotos davon waren auf meinem Laptop. Qaraqalpaqstan ist keine sehr grüne Region, die Wüste dominiert. Er war entsprechend überrascht, grün bewaldete Berge und viel Gras zu sehen.

UzDaewoo Damas. №1 in Usbekistan

UzDaewoo Damas. №1 in Usbekistan

Während wir plauderten fuhren viele Damas mit Miliz und Soldaten vor uns hin und her. Aus einem stieg ein Beamter aus und frug meinen Fahrer etwas.

Sein Russisch war relativ gut und ich habe ein paar Worte dazugelernt.
Schließlich zeigte die Uhr 8:40 – können wir? Ja.

Zeit für ein paar Selfies...

Zeit für ein paar Selfies…

Dem Grenzsoldaten war ich nach wie vor nicht ganz koscher. Erfreuter war er auch nicht, als ich mein Gepäck auf dem Betonblock vor ihm aufpflanzte und Selfies schoss. Um 8:55 durfte ich dann zur Zollvernahme. Ein Kontrolleur wies mich an, ein Ausreiseformular auf Englisch auszufüllen und verschwand dann.
Der Antrag lag fertig vor mir und keiner kam oder war in der Gegend. Erst als ich hinausschritt und winkte wurden die Kollegen wohl etwas nervös und man ging meine Habseligkeiten oberflächlich durch. Als ich im Dezember nach Kirgistan ausgereist war zeugte der Übergang von viel Chaos und die Gepäckskontrolle war entsprechend langwierig. Hier war ich der Einzige und man machte mir keine Probleme.

Nach dem Ausreisestempel lag die türkmenische Seite vor mir.

Turkmenische Grenzseite: Hojeli/Konja Urgench

Turkmenische Grenzseite: Hojeli/Konja Urgench

Mein Touristen-Visum hatte ich über eine Reiseagentur geordert und mir wurde bestätigt dass man meinen Antrag akzeptiert hatte. Das Visum selbst lag am Grenzübergang bereit.
Vor der Einfahrt warteten zwei türkmenische Soldaten und baten freundlich um meine Dokumente.

Von der Reiseagentur hatte ich eine schlecht gescannte und billig ausgedruckte Einladung die ich ihnen mit dem Pass in die Hand drückte.
Einer der Soldaten schien neu im Dienst zu sein und ihm wurde (zwar auf Türkmenisch, aber großteils für mich aus dem Kontext übersetzbar) mein Pass erklärt.

Dann folgte das Besorgen des Visums. Ein Herr in Camouflage hinter einer Glasscheibe nahm Reisepass und Brief entgegen und plauderte in einem überraschend guten Englisch mit mir. Was ich in Türkmenistan zu tun gedenke, wo ich überall hin wolle und was ich dort mache.
Wie mein Fahrer heiße und in welchen Hotels ich nächtigen wollte.
Mein Fahrer hieß Ishan.
Das klingt auf dem Papier (das ich nicht dabei hatte) ganz einfach, aber wie spricht man den Namen aus?
Den Versuch „I-Schan“ zweifelte er an. Dann probierte ich es mit „Is-Han“ was auch keine bessere Reaktion hervorbrachte. „Esh-on“, „Es-Hon“, „Ii-schan“ oder „I-Shann“ brachten die Leute zumindest zum Lachen. Offensichtlich wusste ich nicht, wie mein Fahrer hieß.

Auf der Wand rechts von ihm hing ein Foto von – ich denke es war – Präsident Berdimuhamedov in nicht sehr schicken Tarnfarben und einem derart mittels Photoshop weichgezeichnetem Gesicht, dass er bei der Bearbeitung wohl unsägliche Schmerzen erlitten hatte…

Mit meinem Visum sei alles in Ordnung und ich solle bitte 75 Dollar beim kleinen Fenster rechts einzahlen. Mit viel Papier in der Hand überreichte ich das Geld und der etwas rundliche Herr wollte mir eine Quittung ausstellen.

Blöderweise waren gerade Quittungen und Kugelschreiber aus.
Also öffnete er den Safe, holte aus dem obersten Fach einen neuen Kugelschreiber und schrieb auf dem Karton des früheren Quittungsblocks weiter.
Jetzt seien noch einmal 14 Dollar zu zahlen – wegen der Einreisekarte. Die ich jedoch nie zu sehen bekommen habe.

Zu dem Herrn in Plauderton hatte sich inzwischen ein weiterer Herr in einer Uniform gesellt die eher einem Militärpyjama glich, der jetzt konstruktiv in der Mitte des Raumes stand und mich ernst ansah.
Anfangs war ich überrascht, dass man Englisch verstand, das ist an der Grenze nicht üblich – meine nächste Frage, wozu ich die 14 Dollar gezahlt hatte verstand allerdings niemand. So viel zum Sprachlevel… Auf Russisch bestätigte man mir dass dies für die Einreisekarte sei.

Visum war eingeklebt, jetzt kam die Gepäckskontrolle. Mein Kontrolleur konnte vermutlich nur ein Wort auf Englisch:“Open“. Auf dies war er so stolz, dass er es immer wenn er auf ein Gepäckstück zeigte gleich drei Mal wiederholte, zum Nächsten vortrat und es erneut vorbetete. Als er meine drei Teile durch hatte ging es, bevor ich meinen ersten Rucksack öffnen konnte von vorne wieder los.
Ob er wirklich wollte, dass ich alles gleichzeitig öffne oder nur sein Englisch demonstrierte kann ich nicht sagen, jedoch beschloss ich dieses chaotische Relikt aus Sowjetzeiten zu verbessern und übernahm selbst die Kontrolle für die Vorhergehensweise.

Als erstes bestellte ich ihn zu meinem Rucksack mit Laptop darin. Er wollte wissen, ob ich pornographisches oder religiöses Material mithatte. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich ihm keines von beidem mitgebracht hätte.
Worauf er auf den Laptop und eine Objektivtasche zeigte, sein Mantra wiederholte, bei den anderen Taschen vorbei ging und auch hier je drei Mal „Open“ sagte, dann zu einem PC ging auf dem (wie auf allen) Windows XP lief und herumklickte.

Die Soldaten, die recht untätig um  mich versammelt waren verstanden kein Russisch, interessierten sich aber offensichtlich nicht sehr für mein Gepäck, machten aber Anstalten, dass ich mit der Kontrolle fortfahren sollte.

Leicht verwirrt zeigte ich den Soldaten meinen Rucksack, wollte die Objektivtasche wieder hineingeben, als der Öffner wieder erschien und den Inhalt der Objektivtasche sehen wollte. Darin war mein Nikkor 80-400mm das selbst auf manche Berufsfotografen eindrucksvoll wirkt.
Die Stimmung im Raum kühlte deutlich ab und es begannen die Fragen: „Ist das eine Kamera? Wie viele Kameras? Wo sind die Kameras?“

„Das ist die Kamera“ meinte ich – und zeigte auf meine Nikon, „das hier ist ein Objektiv“ und demonstrierte die Verwendung indem ich es anschraubte. Ihre Gesichter glichen denen von Kindern, die gerade verstanden hatten, warum 1+1 immer 2 ergibt.

Ein Soldat war jedoch investigativer. „Wie viele Kilometer kann man damit schauen?“.
Mir wurde klar, dass ich mich noch nie in meinem Leben damit beschäftigt hatte, wie man Brennweite in Kilometer umrechnet und kam zum Schluss dass dies vermutlich keine Rechnung sei, die von Intelligenz zeugt.

Ihm das zu erklären war mir jedoch zu mühsam – weswegen ich beschloss ihm einfach zu sagen, dass dieses Objektiv nur dazu diene gute Portraits zu schießen. Nachdem ich anbot eines von ihm zu machen (was natürlich streng verboten gewesen wäre) dankte man mir und ließ mich wieder einpacken.

Im Rucksack mit den Klamotten wühlte man mir durch meine Unterhosen und forderte auch diese zu öffnen (eher aus Gewohnheit, alsdass es wirklich jemanen interessierte) und ließ mich schließlich so weit in Ruhe. Meine frische Unterwäsche schien keine weltbewegenden Geheimnisse zu bergen.
Auf Russisch fragte er nach „Flashkaas“ (флешка) was ich bis heute immer falsch übersetze. Damit sind nicht die „Flash-Cards“ gemeint.
Diese interessierten ihn seltsamerweise gar nicht. Vermutlich konnte man auf denen seiner Meinung nach ohnehin nur Fotos speichern.

Eine флешка ist ein USB-Stick. Gerade ergriff ich einen Leeren, händigte ihm diesen aus woraufhin er ihn vergnügt in seinen PC steckte.
Sicherheitstechnisch vermutlich das dämlichste, was er machen hätte können. Man steckt keine fremden USB-Sticks auf Regierungs-PCs. Niemals.
Dass man so etwas selten Dummes machen würde hätte ich nicht einmal erträumt, sonst hätte ich Abends zuvor noch nach einem Trojaner gesucht…

Nochmals fragte man mich wo ich meine Bibeln verstecke – was ich nur mit „ich habe keine“ quittierte und Unglauben hervorrief.

Da man auch bei einer neuerlichen „Open-Open-Open“-Durchsuchung keine theologischen Werke fand ließ man mich – vermutlich leicht enttäuscht – wieder gehen.
Bei meinem nächsten Besuch bringe ich ihm einen Playboy mit und verstecke ein paar Bibeln und einen Koran in meinem Kulturbeutel.

"Grenzbach"?

„Grenzbach“?

Wie in Usbekistan wartet vor dem Verlassen des Grenzareals noch ein letzter Soldat der sich den Pass noch drei Mal durchsieht.
Diesmal stand ein Kommandant und vier Soldaten vor mir von denen einer mit den Zähnen klapperte und auf und ab hüpfte.

Auch dieser Kommandant erklärte ihnen meinen Reisepass. Mein usbekisches Geschäfts-Multiple-Visum für 7 Monate war wohl etwas Besonderes und er verbrachte um einiges mehr an Zeit damit es durchzugehen.

Die letzten hundert Meter nach der Grenze muss man zu Fuß gehen

Die letzten hundert Meter nach der Grenze muss man zu Fuß gehen

Der Kommandant hatte eine dünnere und kürzere Jacke an als sein Trupp und dennoch trotzte er dem Wetter sichtlich besser.

Ich für meinen Teil hatte eine usbekische Chopan die Wind und Wetter besser standhielt als alle Jacken die ich in meinem Leben getragen hatte.

Damit hatte ich erstmals in meinem Leben Türkmenischen Boden betreten. Ein kleiner Bach floss vor sich hin und der Wind wehte über die Schilffelder.
Überraschend war, dass der Wetterbericht wohl recht hatte… Es begann zu schneien.

Somit hat mein Abenteuer in Türkmenistan begonnen…

Veröffentlicht unter Uncategorized | Verschlagwortet mit , , , , | 3 Kommentare

Hojeli/Mizdakhan

_MJS7013 - _MJS7019

Als ich hier in Nukus angekommen bin war mein erster Gedanke:“Wow, hier bin ich sogar für usbeksische Verhältnisse echt weit weg von allem“.

Wir sind hier in einem Land das sich selbst „Schwarzkappenland“ nennt (Qara-qalpaq-stan) und eine autonome Republik innerhalb Usbekistans darstellt. Es ist gelegen zwischen der versalzten Wüste wo einst der Aralsee lag und Türkmenistan – einem für Fremde praktisch nicht erschlossenem Staate dessen Grenze noch weniger Menschen passiert haben als jene Usbekistans.

Im Westen liegt irgendwo Kasachstan das am Kaspischen Meer endet und im Osten geht zwischen den Karakum-, Kysylkum- und Ustjurt- Wüsten die Ewigkeit der Steppe nach Usbekistan über.

Man würde hier vielleicht vieles erwarten: Wüste, noch mehr Wüste und Leute die auf Kamelen durch sie reiten.

Was man nicht erwarten würde: Der Teil der Welt in dem sich die Kulturen aufeinandergestoßen sind.

Das ist vielleicht etwas überschwänglich formuliert – bis dato konnte ich hier noch keine Spuren des südamerikanischen Chono-Kultes finden – aber das war auch nicht die Kernaussage meiner Botschaft.

Hier liegt das Land das Zarathustras Feuer wie kein anderes erreicht hat: Choresm.

Choresm durchziehen seit Jahrhunderten die Karawanen der Seidenstraße – die oft entlang von Flüssen verlaufen ist. Trotz des Feuers und der Wüste gibt es hier vor allem eines – was auch schon in der Wüste von Surxondarya mein Weltbild bröckeln ließ: Wasser.

Brot schätzt man auch sehr

Brot schätzt man auch sehr

Die Steppen Usbekistans sind voller Wasser.

Es war also nur eine Frage der Zeit bis sich Menschen hier angesiedelt hatten und das Licht von Zarathustra angebetet haben. Dasselbe das auf Türmen noch Jahrhunderte später den Karawanen den Weg weisen sollte.

Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende später hatten dann auch die Araber entdeckt, dass die Türme hell waren und sie dann „Minarette“ getauft – und leicht umfunktioniert. Neben Entdeckern sandten sie auch Missionare, deren Gräber ich besucht habe:

_MJS6670Von Nukus, einer Stadt mit wenigen aber teuren Hotels führte mich mein erster Weg nach Hojeli. Einer kleinen Stadt an der Türkmenischen Grenze mit einem überraschend großen und abwechslungsreichen Basar der für seine Möbel und

Woher der Fisch kommt, verstehe ich aber nicht ganz...

Woher der Fisch kommt, verstehe ich aber nicht ganz…

außergewöhnlich schmackhaften Schaschlyk bekannt ist.

Möbel erfreuen sich in Hojeli großer Beliebtheit

Möbel erfreuen sich in Hojeli großer Beliebtheit

Schaschlykgriller

Schaschlykgriller

Der Bus zeigte sich wie immer gestopft voll, aber für einen Preis von 1000 Söm (etwa 25 $-Cent) darf man sich nicht beschweren.

Mich hatte am Markt überrascht, dass dieser der erste war auf dem es einen extensiven Lebendgeflügelhandel gab.

_MJS6707

_MJS6705

_MJS6708

_MJS6711

_MJS6712

_MJS6714

_MJS6770

_MJS6761

Die meisten Menschen die dergleichen gekauft hatten erblickten mich wohl mit den selben verwundert-überraschten Augen wie ich sie.

Nirgendwo schmecken Melonen so gut wie in Usbekistan

Nirgendwo schmecken Melonen so gut wie in Usbekistan

_MJS6780Doch stets -und dies überrascht mich in Zentralasien täglich aufs Neue- ließ man mich beim Fotografieren gewähren. Sogar noch mit Stolz. Vermutlich gibt es kein Land auf der Welt in dem „verstecktes“ Fotografieren so wenig Nervenkitzel bereitet wie in diesen Gegenden: Jeder ist stets erfreut, wenn ein Lichtbild von einem gezeichnet wird, lächelt und möchte noch ein Zweites – und am besten noch ein Drittes Werk bei dem auch seine Freunde zu sehen sind.

Hey, mach ein Foto von uns

Hey, mach ein Foto von uns

Und von unseren Freunden die gerade in der Nähe sind

Und von unseren Freunden die gerade in der Nähe sind

Einzigartig in Hojeli war jedoch eines: Eine Wahrsagerin!

Bevor man etwas tut, was die Religion nicht erlaubt sollte man deren Segen erbitten

Bevor man etwas tut, was die Religion nicht erlaubt sollte man deren Segen erbitten

Der Islam in Zentralasien ist und bleibt für mich rätselhaft, faszinierend und sympathisch.

Vor längerer Zeit hat man mir beim Besuch einer Moschee Schweinsspeck angeboten (dass die Usbeken gut und gerne trinken halte ich für überflüssig genauer auszuführen), heute fand ich eine Zukunftsleserin vor, auf deren Tisch ein islamischer Rosenkranz das Sonnenlicht reflektierte.

Ich hätte es bereut sie nicht nach meinem Befinden zu fragen.

Merkwürdigerweise wusste sie weder, dass ich heute kommen würde, noch aus welchem Lande ich sei und wie ich heiße…

Heiratet da jemand?

Heiratet da jemand?

_MJS6859Als sie vor mir Steine auslegte (eine Methode, die mir fremd war) meinte sie, dass die Zahlen die ich bekäme durchaus gut seien und ich meine große Liebe 2016 in Österreich finden würde. Hin und wieder hatte ein offensichtlich betrunkener Herr heftigst dagegen Protest erhoben, aber das will ich einmal als gutes Zeichen werten…

Alternative Wege zur Nekropolis

Alternative Wege zur Nekropolis

Kurze Zeit später hat mich Irina angerufen, die heute meine Führerin sein sollte und mit der ich nach Mizdakkhan (Миздакхан) aufbrechen sollte. Sie spricht Deutsch und war wohl seit Monaten die erste mit der ich mich in meiner Muttersprache persönlich unterhalten konnte.

Sie erklärte mir, dass es sich dabei um eine Nekropolis handelte die über drei Hügel gebaut wurde. Die Nachfolger dieser antiken Herrscher fanden dies wohl so praktisch, dass sie darum herum gleich einen Friedhof gebaut hatten… Ein Faktum das Ausgrabungen nicht wirklich leichter macht.

Friedhof drum herum

Friedhof drum herum

_MJS6962Die erste Totenstätte war ein Mausoleum das schon in vorislamischer Zeit existierte und dann einfach weitergenutzt wurde. Egal, ob es der muslimischen Tradition entsprach oder nicht. Dieses Mausleum war im Gegensatz zu den anderen Gebäuden am Friedhof noch am besten restauriert und bekannt für seine himmelblauen Kacheln.

Mausoleum

Mausoleum

Durch die Fenster in den ebenerdigen Dachkuppeln leuchtete die Sonne die Hallen aus. Dieses natürliche Licht fühlte sich an wie gigantische Sterne die den Nachthimmel gleich dem Tage erstrahlen ließen.

_MJS6954Als ich meine Fotos geschossen hatte trat ein älterer Herr ein, der ein Gebet mit uns rezitieren wollte.

_MJS6993

_MJS6975Dies stellte einen Brauch dar, mit dem ich mich in anderen Religionen auch anfreunden könnte. Meist haben diese Kleriker eine atemberaubende Stimme die dem Ort eine besondere Würde verleiht.

Schon ewig lang nichts mehr Jüdisches gebracht... Der Fußboden ist vorläufig alles

Schon ewig lang nichts mehr Jüdisches gebracht… Der Fußboden ist vorläufig alles

_MJS7021Irina wies mich als nächstes auf den höchstgelgenen Punkt der Totenstätte und erklärte, das schon die Zoroaster hier ihre Toten begraben hatten was mich überraschte. War ich doch der Meinung dass hierzu die „Türme der Einsamkeit“ dienten.

_MJS7021Von diesem Punkt aus konnte man sogar die Türkmenische Grenze sehen, die ich wenn alles gut liefe in ein paar Tagen passieren werde.

Riesengrab von außen

Riesengrab von außen

Als Nächstes wies sie auf ein längliches Gebäude das innen wie ein Tisch gedeckt war. Hier soll einst ein Riese beerdigt worden sein. In Surxondaryo hatte man das auch oft gemacht. Ob man es dort verifiziert hatte ist mir nicht bekannt. In Mizdakhan fanden sich jedoch nur die sterblichen Überreste von Tieren.

Riesengrab in Surxondarya

Riesengrab in Surxondarya

... und innen

… und innen

Rings herum lagen noch andere Ruinen – eine ehemalige Moschee war ebenso darunter wie weitere Mausoleen, deren Zustand jedoch leider auch auf den Restaurationswillen der postsovjetischen Regierung schließen lässt. Während der Sowjetunion kamen hier regelmäßig Archäologen her die sicherten was noch erhalten war.

Heute ist – für die vermutlich extrem wenigen – ausländischen Experten die Anreise und der Aufenthalt mit mehr Problemen verbunden als der unmittelbare Nutzen. Was auch der Tatsache geschuldet ist, dass man als Fremder nur im über eine Stunde entfernten Nukus nächtigen darf.

_MJS7047

Als letzte Etappe unserer Exkursion wartete die antike Stadt Gyaur-Kala auf uns die einst von gigantischen Mauern umgeben eine Zitadelle beinhaltete. Einst hatten hier die Mächtigsten und Größten des Landes gehaust – und ihre Macht gleich ihrer Minarette gestrahlt.

_MJS7083_MJS7078In unseren heutigen Tagen bleibt der Hügel, auf dem nun nichts mehr ist als Dreck, halb verschüttete Gräben und vom Wasser verzerrte Ziegel dunkel.

Vermutlich alles nur, weil sich irgendwann der Flusslauf des Amu-Darya irgendwie geändert hatte. Oben, am höchsten Punkt der einstigen Festung hatte mir der eisige, trockene Wind die Augen tränen lassen und die Sonne, deren Strahlen ich zum ersten Mal seit langem kurz gewärmt hatten.

In der Ferne wartet schon Türmkmenistan auf mich, ein verschlossenes Land das zur Gänze in dem Lande lag dessen Leuttürme für die Wüstenschiffe Zarathustra einst entzündet hatte…

_MJS7075

Veröffentlicht unter Reiseinformation, Usbekistan | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , | 2 Kommentare

Suis-je Charlie?

Charlie Hebdo

In den vergangen Tagen hatte ich viel über die Ereignisse beim französischen Satiremagazin Charlie Hebdo nachgedacht.

Mit der Zeit musste ich feststellen, dass es mich härter getroffen hat als erwartet.

Für jemanden der an die Freiheit von Meinung und Freiheit – besonders aber die Freiheit des Geistes glaubt – und die Fähigkeit des Menschen über alles zu reden – ist es schwer einfach dazusitzen und nichts zu tun.

Obwohl ich mich nicht für einen besonders guten Zeichner halte… Einige Freunde behaupten zwar ich hätte etwas Talent ist dies vermutlich das einzig Sinnvolle was ich tun kann.

Hier ist also eine Karikatur.

Meine Kondolenz an die Familien der Opfer. Ich möchte auch meinen Teil dazu beitragen, die Erinnerung an Cabu, Charb, Tignous und Wolinski hochzuhalten.

Auch möchte ich mitteilen, dass ich mich gegenwärtig in einem islamischen Land aufhalte.

Veröffentlicht unter Mario Schwaiger | Verschlagwortet mit , , , , , , | 1 Kommentar

Aufruf zur EU-Wahl

In wenigen Tagen haben wir wieder einmal das Vergnügen das größte multinationale Parlament unseres Planeten demokratisch zu wählen. Was im ersten Moment wie eine faszinierende Chance klingt rangiert laut einer österreichischen Kabarettistentruppe „im Beliebtheitsranking der Themen noch hinter Curling, Synchronparagliding und Kontrastmittelwetttrinken“.
Obwohl es sich abzeichnet, dass die Wahlbeteiligung wieder einmal an der 50%-Hürde scheitern wird ist die Europäische Union doch das Lieblingsreizthema von Herrn und Frau Österreicher.

Wenn wir an die EU denken, denken wir an Gurkenkrümmung, die 26.911 Wörter umfassende EG-Verordnung zur Einfuhr von Karamelbonbons und eine blaue Flagge die seit unserem Beitritt die meisten öffentlichen Plätze ziert. Dass bis auf die Flagge keines der beiden Themen wirklich mit der EU zu tun hat zeigt einerseits wie die EU wahrgenommen wird und andererseits welchen Beitrag unsere Politik dazu geleistet hat.

Die Wahlplakate sprechen dieses Jahr hauptsächlich von den Gefühlen der Kandidaten oder den Gefühlen die wir gegenüber dem Staatenbund haben sollen. Eine Großpartei scheint gar nicht erst anzutreten, sondern lediglich ihren Spitzenkandidaten zu entsenden – eine andere Partei bildet neben ihrem Spitzenkandidaten noch Leute ab, die nicht einmal zur Wahl antreten.
Doch ist es leicht mit dem Finger nach oben zu zeigen, immerhin scheint es fast als würde der Urnengang nur dadurch zu gewinnen sein, indem man das leidige Thema nur möglichst nicht anspricht. Doch wie steht es mit uns selbst? Die Werbeagenturen reagieren ausschließlich auf die Stimmung im Volk.
Wenn kaum die Hälfte der Wahlberechtigten von ihrem Recht Gebrauch macht ist es schwierig einen vernünftigen Wahlkampf zu führen.

So stehen wir vor einer paradoxen Situation. Auf der einen Seite fordert die große Menge der Österreicher mehr Demokratie für den Einzelnen, auf der andern Seite übt der Einzelne nicht seine Verpflichtung gegenüber der großen Menge aus.
Der selige Franz Grillparzer hat einst treffend gesagt: „Es muss was geschehen, aber es darf nix passieren.“ Wir wissen, dass wir etwas von der EU wollen, nicht aber was und noch kniffliger: Ob überhaupt.

Dennoch – Tu Felix Austria – hat es unser kleines Land im Staatenbund zu einer Macht gebracht die vermutlich nicht jedem bekannt ist. Hannes Swoboda ist beispielsweise Vorsitzender der Fraktion der Sozialdemokraten. Othmar Karas hat es zu einem der Vizepräsidenten des Parlaments geschafft.
Österreich wird -verglichen mit Deutschland- als ein Staat mit über 16 Millionen Einwohner gewertet und weiß sich entsprechend Verbündete für unsere Anliegen zu suchen. (Worin wir vermutlich ob unserer Geschichte ziemlich gut geworden sind).

Entsprechendes gilt zumindest für die Parteien, die sich den Fraktionen angeschlossen haben und somit praktisch eine Lobby innerhalb der Lobby für die österreichischen Interessen bilden. Ironischerweise ist jene Partei die am lautesten wettert was sie in Brüssel nicht alles zu tun gedenke ob Ihrer Nichtanwesenheit in einer der Fraktionen faktisch impotent tatsächliche Interessen zu vertreten.

Am 25. Mai ist es jedoch unsere patriotische Pflicht unsere eigenen Interessen mit der Teilnahme an der Europawahl zu erfüllen. Ein gelebtes Interesse verdeutlicht auch „denen da oben“, dass es uns nicht egal ist, wer oder was uns vertritt. Wir Österreicher haben uns ins Herz der Europäischen Union integriert – und einem starken Herzen gleich sollen auch unsere Ideale wie das Blut im Körper der Europäischen Gemeinschaft zirkulieren. Die Legitimation dafür ist die Beteiligung am Prozess, an der Wahl.

Veröffentlicht unter Mario Schwaiger, Oesterreich | Verschlagwortet mit , | Kommentar hinterlassen

Die Reise nach Süden (Verlorene Bezirke)

Eigentlich hätte es ja nur eine schnelle Reparatur sein sollen. Der Kofferraum fiel, wenn es ihm zu kalt war von alleine zu und seit Schnee und Eis meinen Wagen zugesetzt haben wehrte sich der Scheibenwischer ein wenig.

Mein Onkel Hubert, der diese Kleinigkeiten wieder in Ordnung bringen sollte rief mich kurz nachdem er das Auto unter die Lupe genommen hatte an und meinte: „Der Motor ist kaputt“.
In dem Moment erstarrte ich vor Schreck. Ich bin bisher immer nur Diesel gefahren – aber ich kann doch keinen Benziner innerhalb so kurzer Zeit schrotten?
„… der Scheibenwischermotor“ fügte mein Onkel hinzu. Erleichterung. Gerade war keiner lagernd, aber bis morgen würde einer kommen. „Und sonst passt alles?“ „Ja, aber ohne Wischer kannst du im Winter nicht fahren.“
Wenigstens war das nur das kleinere Übel, ein defekter Motor hätte mir gerade noch gefehlt. Am Abend musste ich in die Landeshauptstadt Innsbruck und auf der Rückfahrt nieselte es leicht. Wenn es wirklich nur Dreck gewesen wäre, dann hätte sich der Motor jetzt selbst repariert. Stattdessen fiel er gänzlich aus. Als der Nieselregen vorbei war.
Glück im Unglück.

Innsbruck bei Nacht

Innsbruck bei Nacht

Zumindest konnte ich am kommenden Tag zurück nach Osttirol. In Kufstein hatten wir heiteres Wetter über dem Gefrierpunkt – in den Nachrichten sprach man davon, dass die Felbertauernstraße nur mit Ketten befahrbar sei. Aber sie war offen – das war wichtig. Während die Sonnenstrahlen durch das Fenster lächelten konnte ich nicht ganz begreifen, was sich auf der Südalpenseite abspielte.
Mein Vater rief mich an und erzählte von Schneegestöber und Befürchtung auf über einem Meter Niederschlag im Laufe des Tages.

Kapitel 1: Sonne, Regen und Schnee

Kapitel 1: Sonne, Regen und Schnee

Onkel Toni, der ein Häuschen in St. Stefan im Gailtal besitzt wurde auch etwas unruhig, als im Fernsehen laufend Bilder vom Gefahrengebiet gezeigt wurden. Am Abend sollte es zu regnen beginnen und der Schnee würde an Gewicht zunehmen. Ob das Dach diesem Schwamm standhielt war unklar.
Hubert rief wieder an – der Lieferant hatte den Scheibenwischermotor irgendwohin gebracht. Gerade hätten sie einige andere Betriebe angerufen, aber keiner wusste von dem verschollenen Paket. Damit war mein Geländewagen inklusive Allrad nutzlos. Welch Ironie, dass selbst ein sehr robustes Auto nichts bringt, wenn etwas Banales wie der Scheibenwischer aussetzt.
Die ganze Sache machte mich nervös. Zwar wäre es kein Problem gewesen, bis Montag in Kufstein zu bleiben, doch behagte mir der „verlängerte Urlaub“ nicht. Auch, weil ich gerade einmal für anderthalb Tage gepackt hatte.

_DSC0628_miniAber wenn Toni nach Kärnten fahren würde – käme ich leichter nach Lienz als von Nordtirol. Außerdem könnte ich ihm beim Dachabschaufeln helfen. Sicherheitshalber besorge er sich noch Schneeketten und dann ging es los. Im Radio verlautbarte man, dass der Felbertauern weiterhin nur mit Ketten befahrbar sei. _DSC0629_miniDie Drautalbundesstraße – auch! Der Gailbergsattel war überhaupt gesperrt!
Letzteres war schwerlich vorstellbar. Der Gailberg hatte eine Höhe von 981 Meter! Für einen Alpinisten wie mich ist das nicht einmal eine Berg! Wie kann man den sperren?!
Am Bahnhof Villach war die Lage kaum unter Kontrolle zu halten. Das Bundesheer musste ausrücken um zu helfen. Teilweise fiel der Zugverkehr gänzlich aus.
Bei uns in Kufstein wehte der Föhn und die Sonne ließ eine Frühlingssstimmung aufkommen.

_DSC0630_mini_DSC0634_miniWir entschieden uns für die Tauernautobahn. Bis Villach sollten wir ohne Probleme kommen, ab dann mussten wir eben auf der Bundesstraße fahren.
Immer mehr Details berichtete man im Radio. In meiner Heimat waren bereits drei Täler von der Außenwelt abgeschnitten. Das Villgratental, das Defereggental und das Lesachtal, aus dem ein Teil meiner Familie stammt. In letzterem gingen Lawinen bis in die Talregionen ab und weckten Erinnerungen an Galtür, in dem 1999 Lawinen Stadteile zerstörten. Im Lesachtal kamen zwei Leute um, eine Autofahrerin wurde mitsamt Auto verschüttet, konnte aber lebend geborgen werden.

Felder in Bayern

Felder in Bayern

_DSC0635_miniWir waren inzwischen auf bayrischer Seite, wo machen Felder ausaperten und die Sonne schien. Die Nachrichten wirkten ob diesen bizarren Gegensätzen unglaubwürdig. Mein Onkel sprach davon, dass sich hier auf der Alpennordseite das Wetter öfters drastisch unterschied. Als letztes Jahr Nordösterreich von Fluten gepeinigt wurde, hatten sie im Süden strahlenden Sonnenschein.

_DSC0637_mini

Ich will auch einen Defender... Aber einen angenehmeren!

Ich will auch einen Defender… Aber einen angenehmeren!

Wir erreichten die Grenze zu Salzburg und bald den Pass Lueg. Das Wetter hielt sich trocken, der Altschnee nahm zu. Ganz im Süden konnten wir langsam aber sicher Schneefall sehen. Mir wurde mulmig zumute. Ein Defender überholte uns. Wenn die Teile billiger wären, weniger Sprit fressen täten und dem Fahrer mehr Platz bieten würden, wäre ich auch in so einem unterwegs. Jedoch hat mein Auto andere Vorteile… Die aufgrund nicht funktionstüchtiger Scheibenwischer heute nicht zum Tragen kommen…

_DSC0642_miniAuf einmal winkte ein Polizist am rechten Fahrstreifen herum und ließ ein Dreieck mit „Stau“ aufblinken. Hier??? Keine einzige Schneeflocke hatte die Fahrbahn gesäumt und es gab einen Stau???

Für die LKWs gab es kein Weiterkommen...

Für die LKWs gab es kein Weiterkommen…

Teilweise war das Wetter gar nicht einmal so schlecht

Teilweise war das Wetter gar nicht einmal so schlecht

Doch – wir konnten ohne Weiteres passieren. Der Stau betraf nur LKWs, die am linken Fahrstreifen anhalten mussten – kurz vor dem Tauerntunnel. Neben der Fahrbahn tauchten immer mehr Schilder auf.

Kettenanlegeplatz

Kettenanlegeplatz

„Ketten Anlegeplatz“, Reinigungsplätze für Lastwägen und Überholverbote für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen. Die Gegenfahrbahn war kaum frequentiert – mich verwunderten die nicht geringe Zahl der Nutzfahrzeuge etwas, die mit beachtlichen Schneemengen an Motorhaube und Anhänger ins gelobte Land ratterten.

LKW-Reinigung

LKW-Reinigung

Kurz vorm Tauerntunnel gab es eine Blasenleerpause und ich unterhielt mich noch kurz mit einer Frau, die rätselnd vor ihrer offenen Motorhaube stand. „Schrecklich“, „Unfassbar“ und „so viel Schnee“ fassen grob ihre Impressionen zusammen.

_DSC0660_miniIn den Radstätter Tauern hingen schon drohende Wolken und ergossen den Schnee in die felsigen Gipfel. Regen setzte ein und die Temperatur fiel. Der Tunnel machte mich noch etwas nervöser. Was würde uns auf der anderen Seite erwarten?

_DSC0656_mini

Es wurde bedrohlicher...

Es wurde bedrohlicher…

Und schließlich das Ende der Nordalpenseite

Und schließlich das Ende der Nordalpenseite

DAS war das Schneegestöber???

DAS war das Schneegestöber???

_DSC0687_miniAls wir nach knapp 6km den Ausgang sahen, fiel gedämpftes Licht ein. Frischer Schnee säumte die Fahrbahnränder und die angezuckerten Bäume gaben dem Ganzen eine weihnachtliche Atmosphäre. DIE PAAR ZENTIMETER haben so ein Chaos verursacht? Toni erkannte gleich an meinem zweifelnden Blick, dass ich die Tauernstrecke erst selten gefahren bin. „Da kommt noch ein Tunnel“ meinte er. _DSC0687_mini
_DSC0689_miniIm Radio sprach man immer mehr von Zugausfällen Richtung Osttirol. Nicht nur das. In manchen Gegenden mussten Stadtteile aufgrund akuter Lawinengefahr evakuiert werden. Man hatte in großen Teilen Osttirols und Kärntens Lawinenwarnstufe 5 ausgerufen. Die Höchste.

_DSC0693_mini_DSC0696_miniVor dem Katschbergtunnel fiel ein wenig mehr Schnee, aber die Menge hier war nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit.

Hinter dem „Katschi“ offenbarte sich eine andere Welt.

Was würde wohl hier kommen?

Was würde wohl hier kommen?

_DSC0733_mini_DSC0745_miniEin halber Meter Schnee stapelte sich  bereits neben der Autobahn am Pannenstreifen. Kleinere Autobahnabfahrten waren kaum passierbar, da die Räumungsfahrzeuge den ganzen Schnee mit wenig Rücksicht auf die an die Seite schoben.

DAS nenne ich Winter!

DAS nenne ich Winter!

_DSC0708_mini_DSC0723_miniDer Schneefall war gewaltig. Es tauchten erste Kettenpflicht-Schilder auf, jedoch kamen wir zügig voran. Wir passierten die Kärntner Grenze. Fast zynisch lachte uns das Schild an:“Kärnten – Lust am Leben“.

Haiders Vendetta?

Haiders Vendetta?

Mit 4x4 überholt sich's eben leichter...

Mit 4×4 überholt sich’s eben leichter…

Trotz Schneefahrbahn wurden wir einige Male überholt. Was den Fahrern nicht viel brachte… Wenige Kilometer später stand alles.
_DSC0765_miniWarum… Konnte man nicht sagen. Aus Neugier und weil mich diese Sitzerei langsam nervte stieg ich aus und marschierte ein paar Meter. Die leichte Heeresjacke war sehr bald voller Schnee und mir war kalt. Zurück zum Auto, Mantel an, Hut auf und ich startete einen weiteren Versuch.

Stets gerüstet für den Winter

Stets gerüstet für den Winter

_DSC0768_mini_DSC0771_miniErst jetzt wurde mir das Ausmaß des Staus bewusst. Einige Fahrer standen wohl schon länger. Viele waren aus Slowenien, Kroatien oder Deutschland. Manche nutzten die Wartezeit, um ihr Auto mit den Händen vom immer mehr werdenden Schnee zu säubern, einige setzten verbrauchten Flüssigtreibschtoff ab und ein paar gingen wie ich einfach nur herum.

_DSC0773_miniEin Slowene hatte ein sehr interessantes „Kettenmodell“ auf seinem Reifen montiert. Eine Art Netz das über den gesamten Reifen gespannt war.
Aus einem Züricher Auto fragte mich jemand, ob ich denn wisse, was passiert sei – ich verneinte und versprach, es herauszufinden. In einiger Entfernung bewegte sich etwas. Durch den Schneefall konnte ich quer stehendes Lastauto entdecken und, war mir aber sicher, dass das Problem recht bald behoben seit würde und lief wieder nach hinten.

2014-01-31 13.40.21_miniMeine Stiefel leisteten hervorragende Arbeit und hatten einen ordentlich Grip. Reisenden, die mich fragend beobachteten rief ich zu, dass es sogleich weiterginge, worauf sie wieder einstigen – auch dem Schweizer von vorhin konnte ich ein entsprechendes Handzeichen geben. Glücklicherweise erreichte ich Tonis Wagen, bevor die Kolonne sich komplett in Bewegung setzte. Nur wenigen Sekunden später überholten wir den „Übeltäter“.
Ein Autotransporter mit einer Achse – und ohne Schneeketten(!) hatte den Halt verloren und blockierte den Verkehr. Wäre ein Auto neben ihm gewesen, hätte er es womöglich mitgenommen. Ein gefährlicher Leichtsinn.

_DSC0777_mini

Kein Weiterkommen

Kein Weiterkommen

Im Radio mehrten sich die Hinweise auf eine Sperre der Verbindung Spittal-Villach. Mein Onkel hoffte bis zuletzt, dass die Sache noch gelöst werde, bevor wir ankamen. Vergeblich.
Die Auffahrt hatte man vorsorglich gänzlich abgesperrt. Die Abfahrt Spittal füllte sich mehr und mehr mit frustrierten Lenkern, somit hatten wir nur noch Bundesstraße vor uns.
Trotz eher „moderater“ Räumung kamen wir komplikationslos voran und hofften bald wieder auf die Tauernautobahn auffahren zu können, um uns so zur Südautobahn durchzuschlagen und im Gailtal zu landen.

Kapitel 2: Probleme

Kapitel 2: Probleme

_DSC0795_mini_DSC0804_miniDieser Streckenabschnitt zeigte uns erstmals, wie dramatisch die Lage war. Bahnarbeiter versuchten die Gleise frei zu bekommen. Eingeborene befreiten ihre Dächer von der Schneelast und vom Straßendienst stiefmütterlich behandelte Ausfahrten boten höchstens einen Platz zum Steckenbleiben.

_DSC0816_mini
_DSC0809_mini

Strategische Nutzlastvernichtung

Strategische Nutzlastvernichtung

Auf Facebook witzelte eine Freundin von mir, dass ihr der Allrad nichts bringe, wenn schon über ein Meter Schnee auf und neben dem Auto läge. Das Gestöber wurde mehr anstatt weniger. Teilweise hatte man nur eine Sicht von ein paar hundert Meter.

Allrad für alle?

Allrad für alle?

Endlich hatten wir es bis zum Kreisverkehr mit der Auffahrt geschafft. Seltsamerweise ging hier überhaupt nichts weiter. Zuerst haderte ich mit dem Aussteigen, doch wir sahen, dass der Kreisverkehr leer war! Weswegen ich wieder aus dem Auto hüpfte und vorpreschte. Was da passierte war unglaublich. Ein LKW schaffte den Anstieg nicht und schob rückwärts nach hinten durch. Ein Einweiser half dabei wieder stürmte ich zurück zum Auto. Nur wenige Sekunden später waren wir bereits in Fahrt und versuchten uns an der Steigung.

Hallo Auto...

Hallo Auto…

Geisterfahrer unterwegs...

Geisterfahrer unterwegs…

Was jetzt kam war noch viel unglaublicher. Gegenverkehr – auf der Auffahrt!
Im ersten Moment fürchtete ich, dass wir ob der Schneemassen aus Versehen die Abfahrt genommen hatten, doch der Fehler lag nicht auf unserer Seite.
Die Auffahrt war blockiert. Was sich oben auf der Autobahn abspielte kann ich mir nur denken. Laut dem Geisterfahrer gab über uns kein Vor und Zurück. Lastwägen ohne Ketten blockierten den gesamten Abschnitt. Mittlerweile bildete sich eine Autoschlange. Toni, der sich mit dem Herrn vorne unterhielt erklärte den Fahrern hinter uns, dass auch wir jetzt umdrehen müssen und die Horde der PKWs schlich rückwärts durch die Einbahn und den Kreisverkehr. Was blieb war wieder einmal die Bundesstraße.

Reiher

Reiher

Vermutlich war das die beste Entscheidung gewesen. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn auf der Anhöhe jemand den Halt verloren hätte…

Radio Kärnten war wie die meisten angefressenen Autofahrer auf die Pirsch gegangen, um die „Täter“ dieses Schlamassels ausfindig zu machen. Man sprach mit Brummifahrern, die zwar einen starken Akzent hatten aber vermutlich besser Deutsch konnten als unsereins Serbokroatisch, Bulgarisch oder Türkisch. In „zwei Minuten“ hätte er die Schneeketten montiert meinte ein Logistiker. Warum er es erst tun wollte, nachdem er komplett festgefahren war konnte er nicht beantworten.

_DSC0824_miniKurz vor Villach wollte sich ein anderer Lastwagenfahrer in „Sicherheit“ in eine Raststation begeben aber scheiterte an der Einfahrt. Als Resultat hielt der Sattelschlepper mit seinen zwei Anhängern den ganzen Verkehr auf. Die Exekutive hatte alle Hände voll damit, den Verkehr halbwegs um ihn herumzulotsen.

_DSC0829_mini_DSC0831_miniDer Weg ging über die Tirolerstraße und Judendorf beim Atrio vorbei. Die Lage wurde immer dramatischer. In den Feldern lag über ein Meter Schnee. Verständlich, dass die Bahn den Betrieb des Gailtal-Express‘ stoppte. Kurz hinter dem Stadtteil Auen hingen Bäume aus dem Wald, die den Schneemassen nicht widerstehen konnten.

Kapitel 3: Viel Schnee, wenige Probleme

Kapitel 3: Viel Schnee, wenige Probleme

Straße von Villach ins Gailtal

Straße von Villach ins Gailtal

Den Kindern gefällts...

Den Kindern gefällts…

_DSC0843_mini_DSC0845_miniRichtung Nötsch hatten wir Schneefahrbahn mit kaum Räumung. Einige Verrückte überholten uns. Neben der Straße legten Bulgaren ihrem Transporter rostige Ketten an.
In wenigen Kilometern sollten wir St. Stefan erreichen. Fast sechs Stunden waren wir schon auf dem Weg. Mein Magen knurrte etwas und wir hielten bei einem Supermarkt, um Abendessen zu kaufen. Nur eine Kleinigkeit. Rührei und dazu Brot.

_DSC0848_mini

Bushäuschen...

Bushäuschen…

Tante Lisi hatte uns ein paar Brötchen belegt, die ich jetzt noch aß, um etwas Kraft zu erhalten. Kaum war ich fertig, hatten wir unseren Zielort erreicht.

San Stephano

San Stephano

_DSC0852_mini

_DSC0849_mini

Onkel Toni und die Einfahrt

Onkel Toni und die Einfahrt

Die Straßen waren mehr schlecht als recht geräumt. Ein Nachbar hatte nur seine Einfahrt schneefrei gehalten, nicht die Einfahrt zu dieser, weswegen wir hier mit der Schaufel erst frei machen mussten. Den letzten Teil der Strecke legte mein Onkel eher rutschend zurück und kam sicher vor seinem Haus an.

_DSC0868_miniSchnell tauschte ich Mantel, Winterhandschuhe und Hut gegen Jacke, Arbeitshandschuhe und Tschako. Toni machte sich daran, den ersten Teil des Daches zu säubern, während ich die Leiter stabil hielt. Kaum war er oben und legte mir einen Platz frei, befreite ich den Weg noch vom Schnee und platzierte die Leiter an einer sichereren Stelle.
_DSC0873_mini
Gemeinsam säuberten wir nach und nach die Vorderseite des Daches. Teilweise konnte ich mich etwas spielen, indem ich den Schneehaufen untertunnelte und so gezielt zum Einsturz brachte. Doch die Schneeschichten verhinderten ein gezieltes Abrutschen meistens. Manchmal ließen sich die Blöcke leichter entfernen, manchmal erfasste mich noch die „Lawine“, als ein Sektor stürzte, in jedem Fall durchdrang das eiskalte Wasser meine Kleidung sofort. Nach etwa einer Stunde hatten wir die eine Dachseite praktisch geräumt und ich holte meine Stirnlampe, da die Dunkelheit einbrach.

Vorher...

Vorher…

Die zweite Dachseite hatte fast zwei Meter Schnee, die Wetterseite tat ihr Übriges. Einige Achtungserfolge gelangen mir mit meiner Lawinentechnik – beim nächsten Mal würde ich aber eine rutschige Folie mitnehmen, um den Prozess effektiver zu gestalten.
Nach einer weiteren Stunde hatten wir das Dach ausreichend gesichtert. Nur noch Restschnee lag darauf. Meine Finger waren leicht unterkühlt und ein etwas zu beherzter Schaufler beförderte neben dem Schnee auch noch die Schaufel über das Dach hinaus. Toni fand das durchaus erheiternd und meinte, dass wir genug getan hätten, er würde noch schnell ein paar Reste beseitigen – und ich könne, wenn ich wolle springen.
Nur sollte ich mich hüten, richtig aufzukommen, da meine Landefläche zwischen Garten- und Verandazaun lag. Die Schaufel lag strategisch gut und ich versuchte so breit wie möglich zu landen. Die Aerodynamik drängte mich wieder in die Vertikale und so endete ich bis zu den Schultern im Schnee, mit den Füßen den Gartenzaun fühlend.

Die Nachbarn hatten es auch nicht besser

Die Nachbarn hatten es auch nicht besser

Das ganze war noch recht lustig, doch als ich heraus wollte war das gar nicht keine triviale Angelegenheit.
Ein Freund meinte einst zu mir, dass eine 10 Zentimeter Schneedecke komplett ausreiche, um ein Lawinenopfer zu töten. Wer noch nie mit Händen und Füßen im Schnee steckte fände das sicher unglaubwürdig. Ich für meinen Teil war schon öfters in einem solchen Tiefschnee und versuchte angestrengt herauszukommen.
Doch unter meinen Füßen bildete sich nur ein Hohlraum, meine Hände konnten sich nirgends aufstützen und zum „schwimmen“ war der Widerstand zu groß.

Toni rief herunter, dass ich die Schaufel verwenden solle. Großartige Idee. Freischaufeln… brachte überhaupt nichts. Dafür war die Schaufel zu groß und der Schnee zu tief.
Doch war die Schaufel mit Stiel breit genug, um mich darauf zu stützen – und stemmte mich mühevoll hoch.
Die Prozedur wiederholte ich zwei Mal und zog mich über den Verandazaun zur Eingangstüre… die verschlossen war. An der Hausseite verdrängte ich mit meinem Körper die Massen, umkreiste das Haus und erreichte den Eingang.
Alles war gänzlich durchnässt. Der wärmende Kachelofen würde hoffentlich alles bis morgen trocknen und ich zog etwas Bequemeres an. Bald kam Toni ebenfalls klatschnass herunter und wir tranken den Tee, den uns Lisi mitgegeben hatte.

Schneeschauflermenü

Schneeschauflermenü

Zum Essen gab es Omelette.
Dabei erzählte mir mein Onkel von seinen Reisen in den Ostblock und in den Irak, die er in den 70er und 80er Jahren unternommen hatte. Damals, so erinnerte er sich war der Irak ein viel sichereres Land als die Türkei. In der Türkei mussten sie in einem Camp übernachten, im Irak war es kein Problem, auf offenem Felde zu biwakieren.

Er hatte irakische Städte bereist, als es zum Irakisch-Iranischen Krieg kam und die Straßen mit Sandsäcken gesichert wurden. Auch erzählte er mir, dass mein Onkel Hubert auch ein paar Mal mitgekommen ist…

Wir hatten gute Arbeit geleistet

Wir hatten gute Arbeit geleistet

_DSC0887_miniDer Schnee ging langsam in Regen über und wir waren froh, dass das Dach sicher war. Ich schlief im Zimmer mit dem Ofen und wachte am nächsten Morgen auf, als es draußen nur noch regnete. Die Nachrichten waren immer noch dieselben. Für mich war interessant, dass es zwischen Spittal und Villach einen Pendelverkehr gab. Von Lienz war keine Rede, nur dass auf den Straßen weiterhin Kettenpflicht herrschte.

Mir fiel etwas ein. Es auf 7 Straßen nach Osttirol.

  1. Drautal (Gailbergsattel (gesperrt) oder über die Bundesstraße durchs Drautal)
  2. Pustertal
  3. Felbertauernstraße
  4. Iselsberg
  5. Lesachtal
  6. Staller Sattel
  7. Klammljoch

Letzteres ist für KFZs generell gesperrt, der Vorletzte nur übern Winter, das Lesachtal während der schweren Schneefälle und die vier ersteren waren derzeit ausschließlich mit Ketten befahrbar. Praktisch war der Bezirk Osttirol, der größer ist als das Bundesland Vorarlberg vom Rest Österreichs abgeschnitten…

Auch mein Onkel prüfte online das Wetter. Die Seite sprach von „Hoffnung“ auf Schnee. Sind die Meteorologen inzwischen Zyniker geworden?

Auf der Seite der Österreichischen Bundesbahnen zeigte man mir an, dass ein Zug nach Lienz verkehre und dieser „pünktlich“ sei. Kein Grund zur Sorge also?
Ich rief bei der Hotline der ÖBB an, die im Moment etwas überlastet war. Nach einigen Minuten Wartezeit begrüßte mich ein Telefonist freundlich.

Die Warnung ist Programm...

Die Warnung ist Programm…

Optimistisch fragte ich, ob ich denn gut nach Lienz komme. Nach Lienz kommt man im Moment überhaupt nicht, versicherte er mir. Wie? Wir unterhielten uns wie die Lage derzeit war. Nach Spittal hatte man einen Pendelverkehr eingerichtet, der durchkommt, aber niemand wisse, wann dieser wo sein würde. Verkehren würde er aber. Auf der Webseite hatte man nur den regulären Fahrplan.
Sollte ich noch einen Tag bleiben müssen…?

Der Kollege am Telefon sah die Verbindungen durch und war überrascht. Gegen Mittag hatte man versucht einen Zug nach Osttirol durchzuschleußen – was gelungen war! Er sähe das auch soeben das erste Mal.
Man wolle derzeit keine sinnlosen Risiken eingehen. Vor Jahren sei ein Zug in Vorarlberg von einer Lawine erfasst worden. Auf seinem Bildschirm flimmerte eine weitere Aktualisierung auf. Es gab einen weiteren Versuch, einen Zug nach Lienz zu bringen. Um 14:56.
Ich lief zu Toni hinaus. Gerade war es 13:40 – er meinte, das müsste locker zu schaffen sein.

Zeitig verließen wir St. Stefan über die inzwischen gut geräumte Straße. Der andauernde Regen hatte sein Übriges getan und wir kamen ausgezeichnet weiter. Auf einigen Dächern schöpften die Kärntner den immer schwerer werdenden Schnee weg.

Kapitel 4: Alleine geht's heim

Kapitel 4: Alleine geht’s heim

In Villach waren die Schneemassen vom Vortag inzwischen zusammengesunken und bildeten eine kompakte Masse. Toni entließ mich am Bahnhof – es sollte nur ein kurzer Abschied sein… In einer Woche würden wir einander wieder sehen.

Bahnhof Villach

Bahnhof Villach

Villach

Villach

Hübsche Mädchen arbeiten bei der Bahn...

Hübsche Mädchen arbeiten bei der Bahn…

Der Bahnhof war voller als gewöhnlich. Einige Züge fielen aus, doch mein Zug nach Lienz war aufgelistet! Halblinks hatten die Bahnen einen Promotion-Stand aufgestellt, der Wurst- und Käsesemmeln und heißen Tee verteilte. Dort erzählte man mir, dass Tags zuvor das Bundesheer hier eingerückt sei, da es hinten und vorne an Räumkapazitäten gefehlt hatte. Verständlich bei diesen Schneemassen! Die Bahnarbeiter wurden zu anderen Streckenteilen geschickt, um dort den Betrieb aufrecht zu erhalten. Villach geriet dadurch in eine gewisse Notlage.

Niemals in Notlage... Ich

Niemals in Notlage… Ich

Diese Ehrlichkeit überraschte mich positiv- man überreichte mir Essen und Trinken und ich verschwand zum Bahnsteig 5DF, an dem gerade mein Zug einfuhr.

Elend im Zug

Elend im Zug

Eigentlich erwartete ich ein größeres Elend im Zug, doch nur verhältnismäßig wenige Passagiere fanden sich ein. In Spittal mussten wir den Zug wechseln und hatten eine halbe Stunde Wartezeit bis der andere Zug ankam. Dann ging es auf der einspurigen Fahrbahn in den verlorenen Bezirk Osttirol.

Spittal

Spittal

Die Spur war wirklich gerade noch ausreichend. Mehr als ein Zug würde die Route nicht schaffen.
bhfpan_mini

Isel

Isel

Heimweg

Heimweg

In den Abendstunden konnte ich mir das erste Mal ein Bild der Stadt machen. Alle Gebäude hatten Warnschilder mit „Vorsicht Dachlawine“ und einer inflationären Anzahl an Ausrufezeichen. Vor der Bank Austria-Filiale stand die Feuerwehr mit Blaulicht. Und ich..? Ich verzichtete auf die Gehsteige und schritt inmitten der Straßen nachhause…

Ein paar Schneeflocken und wir sind wieder in der Steinzeit

Ein paar Schneeflocken und wir sind wieder in der Steinzeit

_DSC0953_01_mini

Veröffentlicht unter Mario Schwaiger, Oesterreich, Reiseinformation | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | 3 Kommentare